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Experteninterview

Gemeinsam für eine nachhaltige Landwirtschaft: Klimaschutz, Energiewende und Tierwohl im Einklang

Berlin - 20.01.2024

INTERVIEW: Grüne Woche Berlin 2024

Bühne Erlebnisbauernhof, Halle 3.2

 

Teilnehmende:

Helena Felixberger (Moderatorin)

 

Stefan Meitinger, Referent für Agrarpolitik (Deutscher Bauernverband (DBV))

Mario Münch, Gründer & Geschäftsführer von Münch Energie (Münch Energie)

Michael Schubert, Landwirt (Mutterkuhhaltung)

 

Im Fokus des Interviews stand die Integration von nachhaltiger Landbewirtschaftung und Energiewende. Es ging um die Frage, wie Ackerflächen gleichzeitig für die Stromproduktion und Nahrungserzeugung genutzt werden können. Dabei wurde speziell die Rolle grüner Energie in Kombination mit der simultanen Nutzung für die Viehzucht erörtert.

 

Das Konzept der TierwohlPV®-Anlage ermöglicht, dass Tiere wie Rinder oder Hühner unter den Photovoltaikmodulen leben. Eine Haltungsform, die sich für alle rechnet – Tiere, Menschen und Unternehmen. Damit gibt es ein realisierbares Konzept, dass Synergien zwischen Energiewirtschaft und landwirtschaftlichen Produktion erschafft. Ein Konzept, das Landwirten die Anerkennung und die Wertschätzung gibt, die ihnen zusteht – und günstige nachhaltige Energie für Bürgerinnen und Bürger, Kommunen und Industrie.

 

 

 

Interview:

 

Helena Felixberger:

 

In diesem Dialog geht es um die Energiewende und die Landwirtschaft. Was ist dort möglich? Wie passen diese Dinge zusammen?

 

Unsere Diskussions-Teilnehmer sind der in Brüssel geborenen Stefan Meitinger, für den Deutschen Bauernverband. Der Geschäftsführer von Münch Energie, Mario Münch und der Landwirt mit einer Mutterkuhhaltung, Michael Schubert.

 

Herr Meitinger, was gibt es denn überhaupt für Technologien, um erneuerbare Energien auf dem Hof zu erzeugen?

 

 

Stefan Meitinger:

Da haben wir viele Möglichkeiten. Auch wenn es hier nicht im Vordergrund steht, haben wir Biogas und natürlich Windräder und PV-Anlagen. Die große Herausforderung beim Bau von PV-Anlagen liegt dabei, die Flächen nicht wahllos zuzupflastern und diese Flächen somit der Nahrungsmittelproduktion zu entziehen. Deswegen ist es wichtig der Politik zu vermitteln, dass die Flächen nicht nur für PV, sondern für die Flächendoppelnutzung verwendet werden.

 

Da spricht man von Agri-PV. Dabei ist es wichtig, dass die Flächen anständig genutzt werden. Bei Agri-PV werden die Anlagen so aufgeständert, dass im Idealfall ein Obstbaum darunter Platz findet und zusätzlich auch Hagel- und Sonnenschutz vorhanden sind. Ich komme aus der Nähe von Hallertau in Bayern, dem Hopfen-Anbaugebiet, wo man schon jetzt den Hopfenanbau mit PV-Anlagen ausprobiert. Somit lässt sich der erste Widerspruch, dass sich Landwirtschaft und PV auf einer Fläche ausschließen, bereits ausräumen und nimmt somit den Druck von der Fläche.

 

Helena Felixberger:

Sie haben es gehört Herr Münch. Sie dürfen die Flächen nicht zupflastern. Wie machen Sie das denn?

 

Mario Münch:

Der große Vorteil bei mir ist, dass ich von 15 Generationen Landwirtschaft abstamme, also von einem 350-jährigem Bauerngeschlecht. Wir standen vor 20 Jahren vor der Herausforderung, wie es, gepeinigt von Regularien, weitergeht.  Sollten wir bleiben oder weichen? Und dadurch gehörten wir, ich mit meinem Vater, zu den Ersten, die in Deutschland auf Freiland-Photovoltaik gesetzt haben.

 

Mittlerweile sind wir einer der größten deutschen dezentralen Energieversorger. Wir versorgen Unternehmen wie Linde und ZF mit Strom von unseren PV-Anlagen.

 

Ich habe mir immer Gedanken gemacht, wie man Landwirtschaft mit dem Gewinn von Sonnenlicht verbindet. Wir brauchten eine Lösung. Mit unserer Initiative für Tierwohl bringen wir den maximalen Nutzen für Landwirte, die auf den gleichen Flächen den doppelten oder dreifachen Gewinn erzielen.

 

Zusätzlich befassen wir uns auch mit dem Engpass der Bürgerinnen und Bürger, die Bio-Produkte und Eier von Freilandhaltung wollen. Wir bauen auf einer Agri-PV-Anlage nicht nur Getreide als Futtermittel für Hühner an. Wir holen den Nutzen, die Tiere, zurück aufs Land.

 

Warum? Weil es die Menschen wollen. Der Vorteil dieser klugen Doppelnutzung, liegt darin, dass wir die Produkte zu einem Preis erzeugen, den ein Bauer normalerweise niemals über die Weidehaltung erzielen kann.

 

Das ist das Thema TierwohlPV®. Mit TierwohlPV® machen wir dies bereits im großen Stil mit vielen 100 Hektar, mit Schweinen, Rindern, Hühnern, Legehennen und für Gänse.

 

Eine weitere wichtige Komponente ist die Vermarktung durch Regiostolz®. Nicht alle Bauern können ihre Produkte direkt vor Ort vermarkten. Wir gehen mit unserer Marke Regiostolz® auf die LEHs (Lebensmitteleinzelhandel; Anm. d. R.) zu und sichern mit einem gewissen Markendruck eine gute Bezahlung für die Ware.

 

Und das ist auf jeden Fall etwas, das bei den Bauern sehr gut ankommt.

 

Helena Felixberger:

Ihr habt euch auf die Energieherstellung spezialisiert und seid damit Bindeglied zwischen Lebensmitteleinzelhandel, Bauern mit deren Produkten und der Landwirtinnen und Landwirte mit dieser Doppelnutzung geworden.

 

Herr Schubert, was haben Sie als Landwirt für eine Verbindung zu Herrn Münch?

 

Michael Schubert:

Ich bin neun Jahre zusammen mit Mario zur Schule gegangen und wir waren beste Kumpels. Als er mir dann einen PV-Park vor die Tür setzte, haben wir uns verkracht.

 

Als Landwirt geht es gar nicht, dass eine Fläche von der Nahrungsmittelproduktion entzogen wird. Durch diesen großen Konflikt haben wir zwölf Jahre lang nicht miteinander gesprochen.

 

Durch ein anderes Projekt haben wir uns wieder an einem Tisch gesetzt. Wir kamen zu dem Entschluss, dass der größte Nachteil eines PV-Parks der Verlust der Fläche für die Landwirtschaft ist.

 

Deswegen haben wir uns entschlossen gemeinsam Lösungen dafür zu entwickeln und dieses Frühjahr (2023; Anm. d. R.), den ersten PV-Park mit einer Mutterkuhherde beweidet. Dies funktionierte so gut, dass wir in Zukunft planen mehr Flächen mit Mutterkühen und Legehennen zu beweiden. Somit haben wir das Problem des Flächenverlusts für die Landwirtschaft komplett beseitigt.

 

Helena Felixberger:

Sie haben also durch den gemeinsamen Dialog ihren Konflikt geklärt und gemeinsame eine Lösung für nachhaltige Energie und Landwirtschaft gefunden.

 

Jetzt eine Frage an Sie, Herr Meitinger. Unser Strombedarf, der wächst, und zwar enorm. Wie können wir diesen Bedarf in Zukunft durch erneuerbare Energien decken?

 

Stefan Meitinger:

Den geringsten Anteil durch Biogas. Bei der Windkraft ist zu berücksichtigen, dass ein Windrad zehn Hektar Freiflächen-PV ersetzt, um hier mit der Skepsis aufzuräumen.

 

Bei PV ist es wichtig kluge Doppelnutzung mit ausreichend Produktivität auf der Fläche zu nutzen. Die Erweiterung der Korridore an Autobahnen und Gleisen macht zusätzlich massiven Druck auf die Landwirte, die bis zu zehn Hektar an eigene Flächen verlieren. Als Tierhalterbetrieb, der auf diese Futterflächen angewiesen ist, stellt das ein Problem dar.

Deswegen ist es wichtig eine saubere Lösung für die Landwirte zu finden, damit das Geld auch in der Landwirtschaft bleibt.

 

Helena Felixberger:

Welche Flächen eignen sich denn? Und wem gehören jetzt diese Flächen, auf denen z. B. Herr Schubert seine Tiere weiden lässt. Was sind die Kategorisierungen dieser Flächen?

 

 

Mario Münch:

Ziel ist nicht ein „Entweder-oder“, sondern ein „und“. Biogas hat in Deutschland 15 % Flächenbedarf, Tiernahrung 60 %, Nahrung 20 %, und es müssen 4 % für den Artenschutz stillgelegt werden. Unser Ziel ist es natürlich, diese 4 % für Tierhaltung und PV zu nutzen. Für mich sind die laufenden Diskussionen der Landwirte vollkommen verständlich. Mein Vater ist vor 20 Jahren aus der Tierhaltung ausgestiegen, weil es einfach nicht mehr ging, weil er ohne Ende gegängelt wurde. Dabei scheitern die Bauern nie an den Ressourcen, sondern immer an den guten Ideen. TierwohlPV® ist jetzt die nächste Idee, durch die die Landwirte die 4 %, die ohnehin stillgelegt werden müssen, für Energie und Tiere zur Verfügung stehen.

 

Helena Felixberger:

Herr Schubert, was ist das für eine Tierhaltung. Ist das eine andere Art der Tierhaltung unter den PV-Modulen?

 

Michael Schubert:

Ja, es ist eine andere Art und Weise. Es fängt schon bei der Finanzierung des ganzen Systems an. Man ist weniger vom Staat abhängig und hat einen zweiten Vertragspartner. Im besten Fall kann man beides kombinieren.

 

Aus Sicht der Tierhaltung, speziell Kuh- oder Legehennenhaltung, hat man viele Vorteile. Bei der Vorstellung von Legehennen im Freiland träumt immer jeder von riesigen Wiesen, auf denen sich die Hennen frei bewegen. Aber die Legehenne ist ein Buschhocker. Vom biologischen Verhalten her benötigen Hennen Versteckmöglichkeiten, die Ihnen Schutz vor Greifvögeln bieten. Mit Versteckmöglichkeiten bewegt sich die Henne freier, als wenn sie vor Greifvögeln Angst haben muss.

 

Auch bei Mutterkühen bietet die PV-Anlage einen großen Vorteil. Die Kuh bevorzugt Temperaturen zwischen –10 Grad und +17 Grad, wenn es wärmer ist, hat die Kuh Stress. Die PV-Anlage spendet Schatten und bildet eine Thermik, bei der warme Luft aufsteigt – das bedeutet Wohlfühltemperatur für die Kühe. Aus Sicht des Tierwohls eine wirklich gute Sache.

 

Stefan Meitinger:

Unser Anspruch ist, dass die Landwirte fortlaufend etwas bekommen. Es handelt sich am Ende um ihren Grund und Boden. Damit so ein großes, aufwendiges Projekt wie die Energiewende klappen kann, geht das nur mit den Landwirten, sei es eben durch erneuerbare Energien, der Erzeugung oder auch dem Leitungsbau.

 

Helena Felixberger:

Dafür braucht man die Unterstützung des Bauernverbands in Brüssel. Die Landwirte schauen ja auch auf den Acker des Nachbarn. Welche Reaktionen gibt es denn da?

 

Michael Schubert:

Da können wir was anders machen. Weil wir mit dem Naturschutz und vor allem mit Münch Energie zusammenarbeiten, wird man besonders von Verbänden für die Zusammenarbeit kritisiert.

Aus Sicht der Bevölkerung ist es eine super tolle Geschichte. Thematiken, die ich von Kollegen kennen, mit „Bauernkinder-Bashing“ haben wir gar nicht. Im Gegenteil. Meine Tochter wird dafür geliebt, dass sie Tiere auf der Weide hat. Für uns ist es wirklich eine der besten Entscheidungen gewesen.

Hinweis: Dieses Interview wurde aus Gründen der Lesbarkeit redaktionell bearbeitet. Die Änderungen betreffen ausschließlich die Form und nicht den Inhalt der Aussagen.

Hier finden Sie das Experteninterview als PDF zum Download.
Landwirt Michael Schubert Rinderhaltung – Die Bilder aus diesem Presseportal dürfen ausschließlich für redaktionelle Zwecke verwendet werden.
Teilnehmende (v.l.) Helena Felixberger (Moderatorin), Michael Schubert (Landwirt Mutterkuhhaltung), Mario Münch (Gründer & Geschäftsführer von Münch Energie), Stefan Meitinger (DBV) – Die Bilder aus diesem Presseportal dürfen ausschließlich für redaktionelle Zwecke verwendet werden.
Teilnehmende (v.l.) Helena Felixberger (Moderatorin), Michael Schubert (Landwirt Mutterkuhhaltung), Mario Münch (Gründer & Geschäftsführer von Münch Energie) – Die Bilder aus diesem Presseportal dürfen ausschließlich für redaktionelle Zwecke verwendet werden.