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Experteninterview

„Wir produzieren Artenvielfalt und diese Artenvielfalt ist für mich auch Lebensqualität“

Rugendorf - 04.12.2023

Befragter: Michael Schubert, Landwirt (Rinderhaltung)
Ort: Münch Energie, Energiepark 1, 95365 Rugendorf

 

Am 4. Dezember 2023 fand bei Münch Energie in Rugendorf ein aufschlussreiches Interview mit Michael Schubert, einem erfahrenen Landwirt, statt. Das Gespräch, geführt von Lena Lind, schloss sich an einen konstruktiven Austausch zwischen Michael Schubert und Mario Münch an, bei dem Projekterfahrungen und Zukunftsperspektiven erörtert wurden. Diese Abstimmungsgespräche sind Teil einer Reihe regelmäßiger Treffen, die einen essenziellen Beitrag zur Weiterentwicklung nachhaltiger Energielösungen, wie TierwohlPV® leisten. In dem Interview gibt Schubert Einblicke in die Entstehungsgeschichte und Entwicklung des Projekts sowie seine persönlichen Erfahrungen und Ansichten zur Verbindung von Landwirtschaft und erneuerbarer Energie.

 

 

Interview

 

Lena Lind
Wie ist es eigentlich zu dem Projekt gekommen?

 

Michael Schubert
Hier möchte ich einen kleinen Einblick in meine Geschichte mit Mario geben. Ich war mit Mario nicht nur gemeinsam in der Schule, Mario war in den gemeinsamen 9 Schuljahren auch mein Banknachbar. Nach der Schule ging jeder von uns seinen Weg und wir haben uns aus den Augen verloren. Einige Jahre sind vergangen und im Jahr 2008 ging der PV-Park in Eichenbühl in die erste Auslegungsphase – hier krachten dann erstmal zwei gegenläufige Meinungen aufeinander und es folgten erneut 10 Jahre der Funkstille.

 

Durch das PV-Anlagenprojekt für die „Fischbacher Weidevielfalt“ (unterstützt durch die Stiftung „Lebensräume für Mensch und Natur“) haben wir uns im Jahr 2021 wieder an einen Tisch gesetzt.

 

Wir haben das Thema PV-Park und Weidehaltung erneut besprochen und kamen zu der Feststellung, dass unsere Schnittmenge die gleiche ist.

 

Neben dem Aussehen war mein Hauptkritikpunkt: durch die PV-Anlagen verliere ich landwirtschaftliche Nutzfläche, weil sie gemulcht und nicht gemäht werden.

 

Gemeinsam haben wir nach einer bestmöglichen Lösung für beide Parteien gesucht. So kam uns die Idee, einen Probeversuch mit ein paar meiner Mutterkühe zu starten, um den Park nicht aus der landwirtschaftlichen Nutzung zu entziehen. Den Klimaschutz betreffend, brauchen wir einfach die PV-Parks. Gerade mit Augenmerk auf Biodiversität und Artenvielfalt ist ein PV-Park mit doppelter Nutzung besser als jeder Acker.

 

Lena Lind
Wie wurde die Fläche mit den PV-Modulen vorher genutzt?

 

Michael Schubert
Unser Versuchsprojekt mit den Rindern startete in Gössersdorf. Diese Fläche hat Marios Frau vorher bereits mit Schafen beweidet. Um zu prüfen, ob das alles auch mit Rindern funktioniert, haben wir unser erstes Versuchsprojekt dort gestartet. So konnten wir schauen, ob das Ganze funktioniert und was wir beim Bau einer solchen Anlage beachten müssen, um Mutterkühe darunter halten zu können.

 

Lena Lind
Warum hast du dich dazu entschieden, die Fläche mit der Gewinnung von Solarenergie und der Rinderhaltung doppelt zu nutzen?

 

Michael Schubert
Mario und ich wollten beweisen, dass es möglich ist, die Land- und Energiewirtschaft zu vereinen. Unser zukünftiges Ziel ist, nicht nur bei mir, sondern flächendeckend eine doppelte Nutzung unter den PV-Parks zu etablieren.

 

Lena Lind
Du hast also ganz normale Mutterkühe unter den PV-Modulen stehen?

 

Michael Schubert
Genau. Wir haben die Mutterkühe der Rasse Angus unter der Anlage stehen. Ich habe aus meinem Bestand von 70 Rinder ein paar Mutterkühe auf die PV-Fläche gestellt, um zu schauen, ob das funktioniert.

 

Lena Lind
Wie ist das Projekt verlaufen und wie hast du Münch als Projektpartner wahrgenommen?

 

Michael Schubert
Wir starteten unser Pilotprojekt und haben parallel gemeinsam verschiedene Halterungen und Schutzmaßnahmen entwickelt. Wir hatten in enger Abstimmung regelmäßig vor Ort Termine auf der Weide, um möglichst schnell ein Serienprojekt zu schaffen, welches wir flächendeckend verbreiten können. Durch diese feine Abstimmung konnten wir dieses Projekt innerhalb kürzester Zeit erfolgreich entwickeln.

 

Lena Lind
Und wie lange hat es gedauert, von der ersten Idee zur finalen Umsetzung?

 

Michael Schubert
Den ersten Termin hatten wir im Januar/Februar 2023 mit Mario. Hier haben wir erstmalig über diese Idee gesprochen. Im Mai, also knapp 3 Monate später, brachten wir die ersten Mutterkühe auf die PV-Fläche.

 

Lena Lind
Welchen Vorteil siehst du in der Doppelnutzung im Vergleich zur herkömmlichen Landwirtschaft?

 

Michael Schubert
Der Vorteil bei dieser Doppelnutzung ist einfach, dass du einen doppelten Ertrag erwirtschaftest, also zwei verschiedene Ertragsquellen hast.

 

Lena Lind
Das heißt für dich dann im Umkehrschluss, dass man dadurch einfach sicherer aufgestellt ist?

 

Michael Schubert
Genau, der Betrieb ist sicherer und wirtschaftlicher aufgestellt.

 

Lena Lind
Solarparks, die doppelt genutzt werden, benötigen trotz allem auch eine Anpassung in der Betreuung. Wo siehst du Vor- und Nachteile hinsichtlich Energiewende und Landwirtschaft?

 

Michael Schubert
Der Vorteil der Land- und Energiewirtschaft ist, dass man sie einfach kombinieren kann.

 

Zwar zugegebenermaßen mit gewissen Einschränkungen, weil es trotz allem einen Unterschied macht, ob man mit einem Traktor mit der großen Spritze über den Acker fährt oder eben Tiere auf der Fläche hält.

 

Es ist eine andere Art der Landwirtschaft. Der Vorteil für die Betriebe ist, dass sie die Fläche durch die Doppelnutzung und sicheren Erträge halten können und gleichzeitig etwas für die Umwelt machen. Wir brauchen diese Anlagen für den Klimaschutz.

 

Die politische Situation lässt uns leider keine andere Möglichkeit, als den Acker für die Stromerzeugung zu nutzen. Aber in allem steckt auch immer eine Chance und hier schafft die ergänzende landwirtschaftliche Nutzung der PV-Fläche einen zusätzlichen Vorteil für die Landwirtschaft.

 

Lena Lind
Wie hat sich die Doppelnutzung auf das Wohlbefinden und die Produktivität der Tiere ausgewirkt?

 

Michael Schubert
Die PV-Anlage schafft in erster Linie eine Überdachung für die Rinder und diese nehmen sie dankend an. Ich habe 80 Hektar herkömmliche Weide, auf der ich meine anderen Rinder halte. Insbesondere in den Sommermonaten kann man sehen, dass sich die Herde im Schatten oder in den Hecken zusammenrottet, um der Hitze zu entfliehen. Rinder sind kälteliebend beziehungsweise hitzeempfindlich. Ihr Wohlfühlbereich bewegt sich von plus 15 Grad bis – 10 Grad.

 

Wir konnten beobachten, dass sich die Rinder im Sommer direkt unter die Anlagen gelegt haben. Durch die Schräge der aufgeständerten Module, herrscht auch eine gewisse Thermik, die Fliegen scheinbar nicht sonderlich mögen. Die Tiere haben somit äußerst positiv darauf reagiert und machen nach wie vor einen zufriedenen Eindruck.

 

Lena Lind
Wie siehst du die Zukunft der Doppelnutzung in der Landwirtschaft? Und würdest du anderen Landwirten empfehlen, diesen Schritt zu gehen?

 

Michael Schubert
Doppelnutzung wird und muss kommen! Die Zeiten, in denen der Staat dafür sorgt, dass die Landwirtschaft ein gutes Auskommen hat, sind vorbei. Die Zeiten werden eher härter als besser. Und deswegen sehe ich eine Doppelnutzung als bitter notwendig, um zum einen am Pachtmarkt und den Märkten teilzunehmen und am Weltmarkt bestehen zu können.

 

Lena Lind
Glaubst du, dass die Kombination der Land- und Energiewirtschaft für die Landwirte deshalb so wichtig ist, um sich stabil und sicher für die Zukunft aufzustellen?

 

Michael Schubert
Absolut – das ist sogar bitter notwendig. Ich hatte zu Spitzenzeit fast 100 Verpächter. Wenn du 100 Verpächter hast, hast du 100 unterschiedliche Meinungen und Vorstellungen. Bewirtschaftet man dann noch einen Schlauch mit zehn angrenzenden Grundstücken, wird es schwierig. Mit der Doppelnutzung im PV-Bereich hast du einen Ansprechpartner und langfristige Verträge. Da macht es ganz anders Spaß!

 

Lena Lind
Viele Leute behaupten, dass PV-Anlagen die Landwirtschaft beeinträchtigen. Wie siehst du diesen Bereich als Ergänzung zur herkömmlichen Landwirtschaft?

 

Michael Schubert
PV-Anlagen schaffen Wandel in der Landwirtschaft. Klar beeinflussen sie die Landwirtschaft, da wir wegkommen von der intensiven Bewirtschaftung der Ackerflächen.

 

Mit dem Ausmähen der Flächen sichern wir uns zusätzlich günstiges Winterfutter für unsere Rinder. Es ist eine andere Form der Landwirtschaft und damit auch nur was für Betriebe, die sich darauf einlassen. In diesem Bereich brauchst du keinen 360 PS Traktor, sondern eher einen 136 PS Traktor. Das Konzept der Doppelnutzung spricht daher insbesondere die tierhaltenden Betriebe an, die darüber zusätzlichen Mehrwert schöpfen. Der Ackerbaubetrieb ohne Tierhaltung ist da raus.

 

Lena Lind
Wie bewertest du die Stimme in der Nachbarschaft und der Bevölkerung am Ort bezüglich der Anlage? Wie wurde das Thema aufgefasst?

 

Michael Schubert
Es ist wie überall, man hat immer zwei Seiten. Die Einen sind dagegen, die andere Seite dafür. Wobei man hier auch ehrlich sagen muss, dass die Kritiker nicht aus der Bevölkerung, sondern aus den eigenen Reihen kommen. Die Bevölkerung ist heilfroh, dass sie mit dem Kinderwagen zur Weide, in unserem Fall, der PV-Weide, fahren können, um sich die Rinder anzusehen. Die meisten Ställe sind mittlerweile auch einfach nicht mehr öffentlich zugänglich.

 

Ich bin nach wie vor ein Befürworter dieser Projekte und der Meinung, dass diese sowohl für die Öffentlichkeit als auch für den Ruf der Landwirtschaft eine Chance darstellt.

 

Lena Lind
Immer mal wieder stehen die Landwirte wegen ihrer Kühe, die zu viel CO₂ ausstoßen, in der Kritik. Glaubst du, dass Landwirte so eine Wende weg vom vermeintlichen Klima-Buhmann hin zum aktiven Treiber der Energiewende schaffen?

 

Michael Schubert
Ja, das Thema der CO₂-Kühe gibt es insbesondere in der klassischen Landwirtschaft, die Kraftfutter füttert. Hier hast du zwangsläufig mehr CO₂ Ausstoß als bei der Kuh, die auf der Weide steht und Gras frisst. Wir Landwirte mit Tieren in Weidehaltung betreiben Tierschutz. Weidehaltung ist gleichzusetzen mit Tierschutz. Wir haben keinen Stall, da hast du von der Bevölkerung automatisch eine ganz andere Akzeptanz.

 

Für uns ist die Kombination der Land- und Energiewirtschaft positiv. Wir haben ohnehin nur Rinder in Weidehaltung und sind zusätzlich in der Direktvermarktung tätig. Die Stimmen aus der Öffentlichkeit sind bisher positiv. Auch das Thema, „Bauernkinder-Bashing“, was in manchen Regionen richtig extrem ist, kenne ich so nicht. Hier ist eher das Gegenteil der Fall. Meine Tochter wird im Kindergarten sehr gut akzeptiert und die Kinder kommen eher zum Kühe anschauen, bevor man sie als „Bauern-Tochter“ aufzieht.

 

Lena Lind
Wie wirkt sich der Verzicht auf Dünge und Pflanzenschutzmittel, auf die Bodenqualität und auf die Artenvielfalt aus?

 

Michael Schubert
Düngerverzicht wirkt sich natürlich auf einen Rückgang des Ertrages aus. Das ist auf jeden Fall der Fall. Wir produzieren anders. Wir haben ein neues Produkt, was wir produzieren, mit dieser Weidehaltung. Unser Hauptprodukt ist nicht Rindfleisch, was wir produzieren, unser Hauptprodukt ist Artenvielfalt.

 

Wir sind nicht nur dafür da, um Fleisch zu produzieren oder ein günstiges Steak, das dann irgendwann beim Aldi für einen Ramschpreis verkauft wird. Wir produzieren Artenvielfalt und diese Artenvielfalt ist für mich auch Lebensqualität. Wir gehen raus auf die Weiden, sehen bunte Blumen, Schmetterlinge und Vögel statt Acker.

 

Lena Lind
Wie gehst du mit dem Thema Wolf um? Sind die Rinder auf der Fläche sicher?

 

Michael Schubert
Unter der PV-Anlage stehen meine Rinder sicherer als auf der herkömmlichen Weide. Das ist ein weiterer Vorteil der PV-Anlage, dass sie eingezäunt sind.

 

Lena Lind
Im Großen und Ganzen bist du also sehr zufrieden dich für die Rinderhaltung, unter den PV-Modulen entschieden zu haben, um parallel die Biodiversität zu fördern?

 

Michael Schubert
Für das Gesamtsystem, denn dieses hat einen riesengroßen Vorteil. Mir wurde eine enorme Last genommen.

 

Ich muss nicht mehr in Ackerbau investieren. Die jährlichen Kosten im Frühjahr für Düngemittel, Spritzmittel, Diesel, Löhne für Mitarbeiter und die Ungewissheit, was, ob und zu welchem Preis ich im Juli oder August Ernte, entfallen. Wir hatten Jahre dabei, da haben wir beim Weizen alles hochgefahren, Herbiziden-, Fungizid-, Insektizid-Maßnahmen ergriffen und am Ende kaum 35 Doppelzentner geerntet. Dadurch haben wir einfach viel Geld verloren.

 

Durch die Extensivierung haben wir einfach den Vorteil, dass ich relativ gut kalkulieren kann – ich habe kaum wirtschaftliches Risiko und habe mir dadurch wahnsinnige Lebensqualität geschaffen. Lebensqualität für mich und für die Familie. Früher war Juli, August Hochsaison und ich habe von morgens bis abends auf dem Traktor oder Mähdrescher gesessen. Jetzt schaut es für mich so aus, dass ich im Juli und August mit meiner Tochter ins Schwimmbad gehe. Das ist für mich das Wichtigste.

 

Die Zeit gibt dir keiner mehr zurück und das ist für mich die größte Lebensqualität, die ich habe. Ich habe es geschafft, meinen landwirtschaftlichen Betrieb so umzubauen, dass wir von Oktober bis Ostern Hochsaison haben und von Ostern bis Oktober Nebensaison. Und das kann mir keiner nehmen, das ist Lebensqualität und um nichts in der Welt möchte ich diese Freiheit hergeben, denn früher war es genau anders.

Hier finden Sie das Experteninterview als PDF zum Download.
Landwirt Michael Schubert Rinderhaltung – Die Bilder aus diesem Presseportal dürfen ausschließlich für redaktionelle Zwecke verwendet werden.
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